Ein Psychogramm versucht anhand von psychologischen Daten eine Persönlichkeit zu beschreiben, und diese grafisch darzustellen. Psychometrische Tests liefern diese Daten, die Aufschluss ĂŒber das Wesen der Person geben sollen. Die klassische PortrĂ€tfotografie wiederum beschrĂ€nkt sich per se auf die Ă€ußeren Merkmale des PortrĂ€tierten. Sie behandelt die OberflĂ€che und ĂŒberlĂ€sst das Übrige der Interpretation des Betrachters.
Die Serie zeigt fotografische Psychogramme. Sie dienen nicht als psychologische Persönlichkeitsstudie, haben keinen wissenschaftlichen Ansatz und scheinen doch einen Einblick in das Wesen der Person zu ermöglichen. Die technische Imperfektion der Fotografien lĂ€sst die OberflĂ€che zweitrangig wirken. Losgelöst von der Lehrbuchfotografie entstehen hier Bildwelten, die ĂŒber die Abbildung des Sichtbaren hinaus gehen.Die PortrĂ€ts halten sich nicht an dem auf, was man als Erstes sieht und beurteilt, sondern durchbrechen die OberflĂ€che durch den Verzicht einer klaren und scharfen Abbildung der Subjekte. Die OberflĂ€che verschwimmt durch die UnschĂ€rfen, die jedoch kaum die PrĂ€senz des Blicks der PortrĂ€tierten mindern. Schaut man in ein Gesicht, sind die Augen oft das ausdrucksstĂ€rkste Merkmal, das was auf nonverbaler Ebene dem GegenĂŒber am Meisten ĂŒber eine Person erzĂ€hlen kann. Augen gelten als Tor zur Seele, als Fenster zwischen dem Inneren und Äußeren. Die Bilder zeigen nicht viel vom Körper, kaum Kleidung und geben so zusammen mit der verwendeten Technik keine Hinweise auf die Entstehungszeit.
Die Serie wird in Form von großformatigen Projektionen gezeigt. Frei von jeglicher MaterialitĂ€t sind die Fotografien als solche fĂŒr den Betrachter nicht greifbar. Das Positiv, als materielle Grundlage befindet sich im Projektor, fĂŒr den Betrachter nicht zugĂ€nglich. So begegnet man den großen geisterhaften Erscheinungen. Einige blicken den Betrachter an, Andere wenden ihren Blick zur Seite und doch scheinen sie ihn herauszufordern und eine Reaktion zu provozieren. Nicht durch einen provokanten Gesichtsausdruck, sondern durch ihre GrĂ¶ĂŸe und ihre beobachtende, fast passive Haltung. Es scheint als könnte man durch die Fassade des Menschen hindurchsehen und fĂŒr einen Augenblick in seine Seele schauen, als ließ er sĂ€mtliche AttitĂŒden fallen, um sein Wesen zu offenbaren. NĂ€hert sich der Betrachter den PortrĂ€ts, wirft er einen Schatten auf sie, bzw. lĂ€sst Bildinhalte verschwinden und ersetzt sie durch seinen eigenen Umriss. So entsteht eine Wechselwirkung zwischen dem Portrait und dem Betrachter.
Die Psychogramme wurden mit Hilfe einer selbstgebauten Kamera erzeugt, deren Bauweise nicht den Standards einer professionell gefertigten Kamera entspricht. Sie soll keine naturgetreuen Abbildungen liefern, sondern auch dem Zufall seinen Raum lassen. So besitzt sie bewusst eingebaute Grobheiten, die Abbildungsfehler provozieren. Die Kamera besteht aus einem Leitz Epis 325 mm Projektionsobjektiv mit fester 1:3.6 Blende. Sie hat einen festen Fokus der so liegt, dass sie beim SchĂ€rfepunkt 1,2 mal die FlĂ€che des Negativ abbilden kann (entspricht dem klassischen PortrĂ€t- oder auch Passbildausschnitt). Sie hat keinen Verschluss, muss also in der Dunkelheit bedient und durch einen Blitz ausgelöst werden. Beim Bau wurde auch auf eine Mattscheibe verzichtet, was einige Parameter dem Zufall ĂŒberlĂ€sst. Die Objektivebene liegt nicht parallel zur Negativebene, was partielle UnschĂ€rfen hervorruft. Eine zusĂ€tzliche Ebene der Entfremdung ergibt sich durch die Wahl des Filmmaterials. Es wurde technischer Film (ORWO/DIN A4) verwendet, der seine Haltbarkeit lĂ€ngst ĂŒberschritten hat. Das Alter lĂ€sst das Filmmaterial unregelmĂ€ĂŸig reagieren, was eine weitere Zufallsebene hervorbringt. Die Bauweise der Kamera und die Wahl der fotografischen Materialien ist auf eine Abstraktion der abzubildenden Personen ausgelegt.

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